Weltmarktführern heimgeleuchtet

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25.01.2013 Metaller und andere Aktivistinnen konfrontieren Kongress der Weltmarktführer mit ihren Forderungen nach Betriebsräten, Tarifbindung und Ausschluss von Leiharbeit. Und: Weltmarktführer zahlen Steuern!

23.01.2013

Rund 50 Bürgernnen und Bürger, darunter Gewerkschafter/-innen und S21-Aktivist/-innen haben sich am Mittwoch Abend spontan vor dem Neubausaal in Schwäbisch Hall zusammengefunden, um den Teilnehmer/-innen des Kongresses der Weltmarktführer "heimzuleuchten". Diese trafen auf ihrem Weg vom Tagungsort zum Diner im Neubausaal auf die Aktionsteilnehmer/-innen. "Gewerkschafter haben einfach so andere Vorstellungen was denn sozial ist" kommentierte ein Gewerkschafter zum Beispiel die Diskussion mit dem Geschäftsführer von Kärcher.

Begegnung mit Ministerpräsident Kretschman

Besonders angesprochen war Ministerpräsident Kretschman, der an diesem Abend ein Grußwort an die versammelten Unternehmer richtete. DGB-Kreisvorsitzender Siggi Hubele hatte Gelegenheit, ihn auf seinen Offenen Brief zum Thema Deregulierung der Arbeitsmärkte hinzuweisen. Geäußert hat sich Kretschmann zum Thema Leiharbeit später laut Haller Tagblatt vom 25.01.2013 so: "Ich werde aber in einem Grußwort keine Debatte über Leiharbeit führen. Diese Instrumente, die wir sehr wohl brauchen, müssen verantwortungsvoll benutzt werden."

Flyer der "Bürger und Bürgerinnen für soziale Weltmarktführer"

Das sehen die Protestteilnehmer/-innen anders. Auf einem Flyer beleuchten sie die "Schattenseiten des Erfolgs":

- Gering bezahlte Leiharbeit
- Behinderung von Betriebsräten und gewerkschaftlicher Organisierung
- Befristete, prekäre Arbeitsbedingungen, Werksverträge
- ständig wachsender Arbeitsdruck, der krank macht
- unsoziales Klima am Arbeitsplatz
- Steuerflucht, gepaart mit fetten Subventionen aus dem Ländle.

"All das befördert krasse Umverteilung der Vermögen von unten nach oben und
sozialen Abstieg für viele!" schreiben die "Bürger und Bürgerinnen für soziale Weltmarktführer"

Offener Brief des DGB Kreisvorstandes an Ministerpräsident Winfried Kretschmann

Teilnahme am "3.Kongress der Weltmarktführer" am 23. Januar 2013 in Schwäbisch Hall

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Kretschmann,

ich schreibe Ihnen aus Schwäbisch Hall, in meiner Funktion als ehrenamtlicher Kreisvorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes.
Der DGB und viele Mitglieder der Einzelgewerkschaften blicken kritisch auf den "Kongress der Weltmarktführer", der vom 22.1.2013 bis zum 24.1.2013 in Schwäbisch Hall stattfindet.

Hier zelebrieren echte und "unechte" Weltmarktführer ihre "internationale Wettbewerbsfähigkeit", die leider nicht nur auf innovativen Produkten ihrer Ingenieure, Techniker und Facharbeiter beruht, sondern in vielen Fällen auf den katastrophalen Folgen der Deregulierung des deutschen Arbeitsmarktes.

In Baden Württemberg gibt es nach einer Studie, die dem DGB vorliegt, etwa 94.000 Leiharbeiter/innen und rund 120.000 sogenannte Minijobs. Dazu kommen noch Tausende von befristet Beschäftigten die in prekären Arbeitsverhältnissen Geld verdienen müssen.

Leiharbeitskräfte in Baden Württemberg sind in Folge der schlechteren Bezahlung (bis zu 50% weniger Lohn als Tariflohn-Beschäftigte) etwa siebenmal so häufig wie andere sozialversicherungspflichtige Beschäftigte auf zusätzliche staatliche Transferzahlungen angewiesen!

In Deutschland belief sich die Subventionshöhe zwischen 2008 und 2009 auf rund 531 Mio.EUR. Umgerechnet auf Baden-Württemberg sind das etwa 65 Mio.EUR. Diese 65 Mio.EUR sind genau genommen Subventionen für die Unternehmen, die Leiharbeiter/innen beschäftigen. Die Weltmarktführerschaft und die guten Erträge dieser Unternehmen haben daher auch eine ganz andere Seite. Nämlich die von sozialem Abstieg, Perspektivlosigkeit und Armut für die neue Klasse der prekär Beschäftigten in Leiharbeit, Minijobs, Befristungen, in un- oder schlecht bezahlten Praktika und Werkverträgen.

Die Arbeitsagentur Schwäbisch Hall zählt zu den Agenturen im Land, die nahezu die Hälfte aller Arbeitssuchenden in Leiharbeitsfirmen vermittelt.
Aber auch die Agentur für Arbeit selbst kritisiert einige der "Weltmarktführer", dass sie ihre freien Stellen nicht bei der Agentur melden und anbieten, sondern oft gleich eine Leiharbeitsfirma einschalten. So ist es nicht verwunderlich, dass viele "Weltmarktführer" in ihrer Kostenstruktur fest und dauerhaft auf Leiharbeit und Billiglöhne bauen.

Wir Gewerkschafter werden dieser Entwicklung dauerhaften Widerstand entgegensetzen.

Ihre Landesregierung hat beschlossen, dass bei öffentlicher Vergabe von Aufträgen nur noch Unternehmen berücksichtigt werden sollen, die Tariflöhne bezahlen. Das begrüßen wir.

Es wäre also auch bei Ihrem Grußwort beim Gala-Dinner der Weltmarktführer am Mittwoch Abend in Schwäbisch Hall nur konsequent, dass Sie den Weltmarktführern sagen:

Mit der Nutzung der Leiharbeit unterlaufen diese Unternehmen gültige Tarifverträge

Leiharbeit spaltet Belegschaften und wird zunehmend zum Drohpotential gegenüber der Stammbelegschaft

Leiharbeit, Befristungen und Werkverträge gehen einseitig auf Kosten der Beschäftigten. Sie führen zu einer Umverteilung der Einkommen von Unten nach Oben und tragen zu neuer Armut bei.

Sehr geehrter Herr Kretschmann - wir rechnen mit Ihnen!
DGB-Kreisvorsitzender Siegfrid Hubele

Letzte Änderung: 25.01.2013