Hickel: Wirtschaftsweise blamieren sich

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16.11.2009 Finanzmärkten als sich selbststabilisierend und wohlfahrtsstiftend fehlinterpretiert. Massive Fehlprognose sei wissenschaftlich und politisch unverantwortlich.

13.11.2009

Prof. Hickel, Universität Bremen:

"Am Freitag legte der "Rat der fünf Weisen" (SVR) sein Jahresgutachten vor.

Er geht von folgender Wachstumsprognose für 2009 und 2010 aus:

  • Im Durchschnitt des Jahres 2009 wird mit einem Absturz der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung von real -5% gerechnet.
  • Für das kommende Jahr 2010 wird bereits wieder eine positive Wachstumsrate von 1,6% erwartet.

Die in der Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossenen wirtschaftswissenschaftlichen Institute prognostizieren im Rahmen ihres Herbstgutachtens vom Oktober für 2010 lediglich einen Zuwachs von 1,2%. Von diesem Wirtschaftswachstum geht auch die Bundesregierung im Rahmen ihrer Finanzplanung aus.

Anlässlich der recht optimistischen Prognose ist daran zu erinnern, dass sich der SVR in seinem Jahresgutachten vom November 2008 mit seiner Prognose für dieses Jahr völlig blamiert hat.

Ende 2008 wurde für das laufende Jahre davon ausgegangen, dass das (reale) Bruttoinlandsprodukt stagniert (0,0%). Ja, für die zweite Jahreshälfte in diesem Jahr wurde wieder mit einem leichten positiven Zuwachs der Quartalswerte gerechnet. Der leichte Einbruch in der zweiten Hälfte von 2008 und der Wechsel zum erneuten, allerdings
recht geringem Wirtschaftswachstum erweckte den Eindruck, in diesem Jahr wäre lediglich mit einer "Wachstumsdelle" zu rechnen.
Gegenüber der prognostizierten Stagnation beläuft sich jedoch in 2009 der Absturz zwischen -5 und -6%.

Diese massive Fehlprognose erinnert an den Winston Churchill bzw. Mark Twain zugeschriebenen Spruch: "Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen".

Dabei ist diese dramatische Fehlprognose kein Zufall. Dafür gibt es einen theoretischen Grund.

In den Prognosemodellen des "Rats der fünf Weisen" werden die Krisenanfälligkeit von Finanzmärkten und die Folgen für die Produktionswirtschaft marktoptimistisch unterschätzt.

Vielmehr werden die Finanzmärkte als sich selbststabilisierend und wohlfahrtsstiftend fehlinterpretiert.

Diese massive Fehlprognose ist wissenschaftlich und politisch unverantwortlich.

Sie hat der Politik und Wirtschaft völlig falsche Signale gesetzt. Deshalb darf auch nicht zur Tagesordnung übergegangen werden.

Dabei bieten sich zwei Optionen an:
1. Der SVR wird in den Bildungsurlaub geschickt, um sein theoretisches Prognosemodell unter Berücksichtigung der systemkritischen Analysen zu den Finanzmärkten zu überarbeiten.
2. Alternativ dazu wird dieser gesetzliche verordnete Rat auf der Basis eines völlig überholten Modells der aus dem wissenschaftlichen Diskurs abgehobenen Politikberatung abgeschafft. Dem durch den Präsidenten der USA eingesetzten "Council of Economic
Advisers" vergleichbar ernennt die Bundesregierung ihren, sie beratenden ökonomischen Beirat. Der muss sich dann der wissenschaftlichen Diskussion stellen. Damit
wird die Vorstellung eines hoheitlich verordneten, hervorgehobenen Rats aufgehoben und der wissenschaftliche Diskurs gestärkt."

Letzte Änderung: 16.11.2009