Blog #2 Die Bewegung startet

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24.10.2022 Wir waren in der letzten Woche in über 20 Betrieben unterwegs. Überall verbreitet sich der Mut, sich nicht klein machen zu lassen. Es warten noch viele Menschen auf uns. Keine Angst, wir kommen!

24.10.2022

Ich gebe es zu: am Montag den 17.10.22 waren die Knie weich. Ich stand vor über 30 Unterstützer:innen und durfte sie zur ersten Woche unserer Ansprache-Aktion begrüßen, unsicher was uns erwartet. Aber, jetzt - endlich - geht es los: Tausende Beschäftigte sollen persönlich angesprochen werden. Wir werden dutzende Betriebe aufsuchen, in denen die Gewerkschaft bisher wenig bis keine Strukturen hat. Wir haben geplant, verworfen, neu gedacht, wieder verworfen. Nun aber gilt es, nun werden wir sehen, ob und vor allem was wirklich funktioniert.

Getragen wird das ganze seit der ersten Sekunde von einer unglaublichen Stimmung! Allein 100 Teilnehmer:innen beim offiziellem Auftakt am 18.10. in Crailsheim, einfach nur wow! Es bestärkt uns in dem Vorhaben, überall maximal in die Breite zu gehen. Eine Region macht sich auf, ist in Bewegung Auch nach Jahrzehnten der Gewerkschaftsarbeit bekomme ich Gänsehaut, wenn Kolleg:innen erzählen, wie sie erfolgreich für bessere Arbeitsbedingungen gekämpft haben und wie sie anderen Mut machen, auch in ihrem Betrieb den Aufbruch zu wagen, gemeinsam und solidarisch. Mir wurde nochmal klar: Wir tun hier das Richtige. Wir müssen noch stärker als bisher raus aus den Konferenzräumen und hin zu den Menschen an den Arbeitsplatz. Dort findet die gewerkschaftliche Arbeit statt.

Nach einer Woche ist diese Erkenntnis, die uns alle an den Start gebracht hat, zu einer echten Bewegung geworden. In mindestens zwei Betrieben machen sich die Beschäftigten jetzt auf, einen Betriebsrat zu gründen oder den Tarifvertrag einzufordern. In anderen Betrieben bekommen wir klare Bekenntnisse, in der aktuellen Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie alles zu geben. Die Menschen freuen sich uns zu sehen, kommen ganz offen mit ihren Gedanken und Problemen auf uns zu. Es geht um vieles: gerechte Bezahlung, Respekt, mangelhafte Arbeitskleidung, übertriebene Arbeitskontrolle oder den Verlust von Schichtzuschlägen und und und. Man fühlt wieder die Begeisterung für den Grundgedanken der Gewerkschaft: Wir sind alle abhängig Beschäftigte aber wir sind nicht ausgeliefert, sondern können gemeinsam diese Welt zum positiven gestalten.

Nun schmeckt so eine demokratische Bewegung nicht jedem. Wir erleben Betriebe, in denen herrscht unter den Beschäftigten eine mulmige Stimmung. Angstvolle Blicke werden sich zugeworfen, ist es auch ok mit der IG Metall zu reden? Willkommen im betrieblichen Nordkorea, mitten in Deutschland, was für ein Wahnsinn. Beschäftigte verstecken sich hinter Autos, um mit uns zu reden. Telefonnummern werden im Vorbeigehen zugeflüstert, damit wir uns später nochmal melden können. Bosse beobachten alles von ihren Chefetagen, führen hektische Telefonate. Manchmal fühlt man sich wie ein Gefangener auf dem Gefängnishof. In einigen Betrieben wurden IG Metall-Teams von einzelnen Führungskräften bedrängt und angepöbelt. Woanders wurde einer unserer Mitarbeiter mutmaßlich mit Absicht von einem Auto touchiert. Die Polizei hat die Personalien des Fahrers aufgenommen.

Excuse me? Wir haben 2022! Und noch immer führen einzelne Arbeitgeber den Betrieb wie ihre persönliche Bananenrepublik, über die sie willkürlich verfügen können. Ausnahmen zwar, aber dennoch einfach Tatsache! Wer aber glaubt, dass wir uns davon beeinflussen, geschweige denn aufhalten lassen, der irrt gewaltig! Auch Beschäftigte in solchen Betrieben erhalten ihre Chance. Notfalls trifft man sich eben heimlich in der Geschäftsstelle in Schwäbisch Hall oder auf einen Drink in der Kneipe. Echte Solidarität kann nicht gebrochen werden. Und wir sind da um sie zu leben!

Also: Unsere Bewegung stoppt das nicht, im Gegenteil. Wir waren in der letzten Woche in über 20 Betrieben unterwegs. Über 200 Menschen haben sich der Gewerkschaft neu angeschlossen. Überall verbreitet sich der Mut, sich nicht klein machen zu lassen. Unser Gang ist aufrecht und selbstbewusst. Den Spirit der ersten Tage nehmen wir mit in die nächsten Wochen - es warten noch viele Menschen auf uns. Keine Angst, wir kommen!

Letzte Änderung: 24.10.2022